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  • Claudia Wagner

Sind wir noch zu retten?


(Ungefähre Lesezeit: 5 min.)

Wird es 2019 österreichische Essiggurkerl geben?

Mein erstes Geld verdiente ich als Jugendliche in den Ferien am Bauch, am Gurkerlflieger liegend und in Remisen an der Tabakauffädelmaschine. Beides gibt es heute in Österreich kaum noch, weil die Arbeitsschritte bis zum fertigen Rohstoff zu viele sind und Arbeitsleistung in Österreich zu teuer ist. Medial wird kommuniziert, dass diese Arbeit niemand mehr machen will. Die Frage ist: „Warum will diese Arbeit niemand mehr machen?“ Die Menschen, die die produzierende Arbeit machen haben in unseren Breiten durch ihre Arbeit nicht mehr das lebensnotwendige Auskommen.

Braucht ein Produkt mehr händische – nicht digitale – Arbeitsschritte wird es aus kapitalistischer Wachstumssicht immer unrentabler und damit uninteressanter. Das bedeutet die Netto-Löhne werden auch aufgrund der hohen Lohnnebenkosten unter die Existenzgrundlage gedrückt und Endprodukte würden für die Endverbraucher anscheinend zu teuer. Wo soll da dann noch eine interessante Gewinnspanne für den Handel Platz haben?

Die Gemüse Produktion geht heute in der österreichischen Landwirtschaft einen Weg wie schon vor Jahrzehnten die textile Faserproduktion, allen voran Flachs, der - laut Erzählungen von heute 80-Jährigen - im Pinzgau bis auf 2500 m.ü.M angebaut wurde. Es ist ein stilles Ausschleichen der Anbauflächen bis hin, dass das Wissen und die Fähigkeiten vollends verstummen.

Die Kontexterei Rauris ist ein Verein und Co KG für eine textile regionale Wertschöpfungskette. Beginnend vom Rohstoff bis hin zum fertigen textilen Produkt. Einer Wertschöpfungskette für ein gewinnendes Zusammenspiel aller Beteiligten – vom Faseranbau, über die Veredelung bis zur Schneiderei und zu den Endkonsumenten, die Kleidung für und wegen dieser Wertschöpfungskette kaufen.

Eine Zeit, in der Zinsen nahe dem Nullpunkt sind, ist eine gute Zeit in die regionalen Unternehmen und Betriebe zu investieren - da gibt’s zwar auch keine Zinsen, aber man gestaltet damit eigene gesunde Lebensräume und sorgt für gesunde Nahrungsmittel und gesunde Kleidung. Übrigens investieren kommt aus dem lateinischen investere und bedeutet einkleiden. Macht man das regional, bei Unternehmen die man kennt und sieht, bleibt auch die Rendite, also die Wertschöpfung bei denen, die investieren, produzieren und konsumieren. Jene die produzieren sollen von ihrer Arbeit leben können und jene die konsumieren sollen gesunde und vitale Sachen zum Essen, zum Anziehen, zum Wohnen und zum Schlafen haben. Und ganz nebenbei wird mit unserer Umwelt so umgegangen, dass auch nächste Generationen noch gesund von ihr leben können.

Mühsal oder Chance?

Von der Rohwolle bis zum fertigen Pullover. Vom Flachs bis zum fertigen Hemd, dafür setzen wir von der Kontexterei tagtäglich unsere Arbeitskraft ein. In der Kontexterei kannst du viele dieser Arbeitsschritte erlernen oder deine Arbeitsleistung einbringen. Wir sehen die Fertigkeiten des Menschen mit der Landwirtschaft und den textilen Handwerkstechniken als Chance. Das Mühsal wendet sich in freudvolle Energie sobald ein paar Menschen zusammen kommen und am gleichen Strang ziehen.

Es kann doch nicht falsch sein, wenn wir wieder in der Lage sind unser Gewand selber herzustellen anstatt es vielfach um den Erdball zu schicken bevor wir es in großen Mengen kaufen und mit unseren wertvollen Rohstoffen wie Wolle in den Müll werfen. Regionale Wolle wirkt klimaausgleichend, am menschlichen Körper und auch auf das Weltklima. Ebenso ist es mit dem Flachs, also mit dem Leinenstoff auf der Haut.

Mitmachen kann jeder: Ob mit den eigenen Händen, als Lehrende oder Lernende, als Konsumenten und als Investoren. Das Schöne daran ist: Du musst nicht länger warten um aktiv Verantwortung für unser aller politische, wirtschaftliche, soziale und klimatische Situation zu übernehmen und zu tragen. Du kannst sofort ab diesem Moment für Eigenwohl und Gemeinwohl gleichermaßen sorgen.

TIPP: Du kannst uns auch auf der Regionalitätsmesse am 16. Juni 2019 in Saalfelden persönlich kennen lernen und viele textile Handwerkstechniken, wenn du magst unter fachkundiger Anleitung da selber durchführen - vom Spinnen, Kardieren, Nähen, Filzen, Weben, Papierschöpfen und Siebdrucken. Das handwerkliche Angebot bieten die Druckerwerkstatt von Christian Fuchs und die Kontexterei Rauris gemeinsam an. Bei jeder Station nimmst du dein eigenes Werkstück mit nach Hause.

Ja. Wir sind noch zu retten. Aber nur wenn wir es selber tun. Durch die Macht des Faktischen. Also tun statt ruh‘n.

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